Tagungsbericht: Jahrestagung der AG Geschichte und EDV 2009
von Kerstin Droß
Am 26. und 27. November 2009 traf die Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV e.V. (AGE) nun bereits zum 15. Mal zu ihrer Jahrestagung zusammen. Veranstaltungsort war die Universität Trier.
Etwa 35 Mitglieder und Freunde der AGE sowie interessierte Studierende der Universität Trier trafen sich zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch über den Einsatz von EDV als Mittel von Forschung und Lehre in den Geschichtswissenschaften. Der Tradition der vorangegangenen Jahrestagungen folgend, bestand auch dieses Treffen aus zwei Teilen: einem anwendungsbezogenen Workshop und einer Vortragssektion zur Vorstellung neuer EDV-Projekte.
THOMAS GROTUM (Universität Trier) demonstrierte im Rahmen des Workshops die Anwendungsmöglichkeiten dynamischer Webserver am Beispiel „Auschwitz im Computer. Perspektiven quellenorientierter Datenverarbeitung“. In diesem eindrucksvollen Projekt wurden die Daten aus den Hauptbüchern des Zigeunerlagers Auschwitz, der Sterbebücher der Jahre 1941-1943 sowie dem Stärkebuch von 1942 und der Häftlingsfotos in einer homogenen Datenbank zusammengefasst, die durch Verknüpfung der Daten eine Identifikation von identischen Personen aus dem Lager Auschwitz ermöglicht. So ensteht nicht nur ein digitales Archiv, sondern auch die Erstellung von gedruckten Editionen basierend auf den Datenbankabfragen. Außerdem wird so die Einbindung des Materials in multimediale Anwendungen leicht möglich. Darüber hinaus wird durch die Digitalisierung ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung des Quellenmaterials geleistet und eine Fälschung der Dokumente verhindert.
Der zweite Tag stand im Zeichen von aktuellen Projektvorstellungen. Nach wie vor hat die Verbindung von Geschichte und Geschichtswissenschaft mit den Neuen Medien nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Wie aus der Gesellschaft im Allgemeinen, so sind elektronische Medien auch aus der Wissenschaft nicht mehr wegzudenken. Die rasante Weiterentwicklung der Technik ermöglicht gerade für den Historiker neue Arbeitsmöglichkeiten, beispielsweise durch elektronische Erschließung von Quellenbeständen; aber darüber hinaus liegt hier auch eine Chance, das eigene Fach einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen. EDV dient somit nicht nur als Werkzeug des Historikers, sonder kann auch Medium zur Wissensvermittlung sein. Beide Aspekte wurden im Rahmen der Vorträge thematisiert.
Den Anfang machte CHRISTINA RULOFF (Universität Zürich), die über ihre Erfahrungen beim Einsatz von Podcasts in der universitären Lehre berichtete. Zum Oberthema „Märtyrer“ entstanden am Züricher Seminar für Alte Geschichte mehrere Podcasts, die als Themeneinstiege gedacht waren und bei den Studierenden Interesse an diesem Themengebiet wecken sollten. Am Beispiel „Das Aufkommen des Märtyrerkultes in Mailand“ verdeutlichte sie die Genese von Drehbuch und Film und zeigte die von ihr angelegten Kriterien für die Gestaltung des Podcasts. Im Anschluss entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Podcasts als Blended Learning. Vor allem die Verkürzung und die damit einhergehende Problematik der Darstellung von Sachverhalten wurden als gewichtige Argumente ins Feld geführt. Zugleich wurden der Aspekt der Freude am Lernen sowie die Tatsache, dass die aktuelle Studierendengeneration mit diesen Medien sehr vertraut ist und durch das Rekurrieren auf vertraute, moderne Medienformen Informationsvermittlung leichter gelingen kann, betont.
Ein anschauliches Beispiel dafür, wie durch Medienarbeit das Interesse von Studierenden an historischen Zusammenhängen und Quellen geweckt werden kann, bot das im Anschluss vorgestellte Projekt „Der historische Film“, das von Studierenden der Universität Osnabrück durchgeführt worden war. BJÖRN BERNSMEIER und OLIVER QUICK (beide Universität Osnabrück) präsentierten die aus einer EDV-Übung für Historiker an der Universität Osnabrück im Wintersemester 2006/2007 hervorgegangene Webseite und verdeutlichten nach einem Überblick über die Landschaft der historischen Filme der letzten Jahrzehnte die Problematiken dieses Filmgenres. Am Beispiel des TV-Filmes „Julius Caesar“ aus dem Jahr 2002 versuchten sie zu prüfen, ob die historische Darstellungen „richtig“ vermittelt werden oder ob die Authentizität einer besseren Dramaturgie weichen muss. Dazu wurden verschiedene Filmszenen der historischen Überlieferung gegenübergestellt. Das Projekt illustriert, dass der Zugang zum Arbeitsmaterial des Historikers, nämlich den literarischen wie dokumentarischen Quellen, durch den Einsatz von Medien für Studierende besonders spannend und anschaulich gestaltet werden kann.
Ebenfalls der Vermittlung von historischen Sachverhalten widmeten sich die im Anschluss vorgestellten neuen Projekte aus dem Institut für Geschichtliche Landeskunde der Universität Mainz. ELMAR RETTINGER und TORSTEN SCHRADE (beide Universität Mainz) zeigten zunächst die Weiterentwicklungen des seit 2004 regelmäßig auf den Jahrestagungen der AGE vorgestellten Internetportals „regionalgeschichte.net“ für die Geschichte der Regionen Rheinhessen und Mittelrhein, Hunsrück und Saarland. Die Neuerungen bestehen hier vor allem in der Erstellung von Themenseiten wie beispielsweise zur Geschichte des Hohen Doms zu Mainz, oder zur Auswanderung aus Rheinland-Pfalz im 18. und 19. Jahrhundert. Im Aufbau befindet sich weiterhin eine Themenseite zu den Klöstern in Rheinland-Pfalz, die Historisches mit touristischen Informationen verbinden soll. Außerdem wurde das „Geschichtsmobil“ vorgestellt, ein Mercedes-Bus des Instituts, der seit einigen Wochen in rheinland-pfälzischen Orten unterwegs ist, um dort alte Dokumente und Fotos zu sammeln, damit sie digital erfasst und archiviert werden können. Abschließend wurde noch auf digiversity.net verwiesen, ein „Webmagazin für Informationstechnologie in den Geisteswissenschaften“ sowie auf künftig geplante Projekte zu Bearbeitung der Mainzer Inschriften unter Einbeziehung eines 3D-Webviewers.
ANDREAS KUNZ (Institut für Europäische Geschichte, Mainz) stellte danach den Digitalen Atlas zur Geschichte Europas seit 1500 vor. Dieses historische Geoinformationssystem ist seit circa einem Jahr online, wird aber noch weiter ausgebaut. Ziel des Projektes ist die Erstellung thematischer Karten sowie die Einbeziehung statistischer Daten. Unterteilt nach vier Themenschwerpunkten („Politische Landkarte Europas seit 1500“, „Religiös-Konfessionelle Landkarte Europas seit 1500“, „Dynastische Landkarte Europas seit 1500“ und „Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft Europas seit 1500“) sind bislang circa 100 thematische Karten verfügbar. Geplant ist eine auf ArcGIS 9.3 basierende Erweiterung, die die Erstellung von interaktiven Karten durch die Benutzer ermöglichen solle.
In den Sektor der Unterstützung des wissenschaftlichen Arbeitens durch EDV kehrte MICHAEL TRAUTH (Universität Trier) zurück, der die Software TUSTEP (TUebinger System von TExtverarbeitungsProgrammen) vorstellte. Vor allem zur Erstellung textkritischer Editionen, beim Vergleich verschiedener Textfassungen sowie zur Erstellung von Registern oder aber der statistischen oder metrischen Auswertung von Texten wird die bereits 1978 entwickelte Software eingesetzt. Anhand ausgewählter Beispiele, wie der Erstellung eines Index verborum oder der Textquantifizierung als Hilfsmittel zur Zuordnung literarischer Texte zu Autoren wurden die Funktionen des Programms demonstriert.
Den Abschluss der Jahrestagung bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema „Geschichte in den Medien“. Die Teilnehmer der Gesprächsrunde, BRIGITTE BRAUN, CHRISTOPH SCHÄFER (beide Universität Trier), WOLFGANG SPICKERMANN (Universität Erfurt) und ANJA WIEBER (Helene-Lange-Gymnasium, Dortmund), berichteten von ihren Erfahrungen im Umgang mit elektronischen Massenmedien, allen voran dem Fernsehen. Sie erläuterten Möglichkeiten, historische Inhalte im TV zu platzieren und gaben konkrete Tipps für den Umgang mit Redakteuren und Drehbuchautoren.
Mit dieser informativen Podiumsdiskussion endete die Jahrestagung 2009. Am 28./29. Oktober 2010 werden die Mitglieder der AGE in Weiden in der Oberpfalz zusammenkommen.
Konferenzübersicht:
Thomas Grotum (Universität Trier) – Workshop „Dynamischer Web-Server“
Christina Ruloff (Universität Zürich) – Historie als Podcast
Björn Bernsmeier / Oliver Quick (Universität Osnabrück) – Der historische Film als Untersuchungsgegenstand der Alten Geschichte
Elmar Rettinger (Universität Mainz) / Kai-Christian Bruhn (i3mainz) – Neues aus dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz
Andreas Kunz (Institut für Europäische Geschichte, Mainz) – Digitaler Atlas zur Geschichte Europas seit 1500
Michael Trauth (Universität Trier) – TUSTEP. Aktuelle Entwicklungen eines Meilensteins im Bereich der Historischen Edition
Brigitte Braun (Universität Trier) / Christoph Schäfer (Universität Trier) / Wolfgang Spickermann (Universität Erfurt) / Anja Wieber (HLG Dortmund) – Podiumsdiskussion „Geschichte in den Medien“