Digitale Pacelli-Edition online

Screenshot Edition PacelliLetzten Mittwoch wurde die „Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte von Eugenio Pacelli 1917-1929“ mit den ersten Dokumenten freigeschaltet. Die Pacelli-Edition setzt auf die von den Deutschen Historischen Instituten in Rom und London entwickelte Software „DENQ – Digitale Editionen Neuzeitlicher Quellen“, die schon für zwei andere Editionsprojekte eingesetzt wurde. Im Wesentlichen basiert DENQ auf einer Open-Source-XML-Datenbank, die durch PHP- und Java-Module erweitert wurde. Für die nun veröffentlichte Online-Edition wurde DENQ in zwei wichtigen Punkten weiterentwickelt.

Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1939-1958), ist eine der bekanntesten und umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Das Interesse richtet sich aber vor allem auf sein Verhalten im Zweiten Weltkrieg, namentlich auf sein „Schweigen“ beziehungsweise „uneigentliches Reden“ zum Holocaust. Seine Biographie vor seiner Wahl zum Papst ist dagegen im allgemeinen Bewusstsein kaum präsent. Dabei dürften entscheidende Prägungen und Weichenstellungen, ohne die sein Handeln nur schwer verständlich ist, gerade aus dieser Phase stammen. Und sie hängen eng mit seinen deutschen Erfahrungen zusammen. Denn nach einer steilen Karriere im vatikanischen Staatssekretariat war Pacelli von 1917 bis 1929 als Apostolischer Nuntius in Deutschland tätig, bevor er von 1930 bis zu seiner Papstwahl als Kardinalstaatssekretär Pius‘ XI. amtierte – eine Epoche, die Kirche und Papsttum angesichts der Herausforderungen der Zwischenkriegszeit, namentlich der „Totalitarismen“ als politische Religionen, vor größte Herausforderungen stellte.

Die Öffnung aller Akten aus dem Pontifikat Pius‘ XI. (1922-1939) im Vatikanischen Geheimarchiv 2003 und 2006 macht es möglich, alle rund 7.000 Nuntiaturberichte, die Pacelli in den zwölf Jahren seiner Tätigkeit in Deutschland nach Rom sandte, in einer kritischen Online-Edition Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf der Basis einer Kooperation mit dem Deutschen Historischen Institut in Rom und dem Vatikanischen Geheimarchiv werden die Nuntiaturberichte Pacellis im Rahmen eines auf zwölf Jahre angelegten Langzeitvorhabens der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Entwurf und Ausfertigung unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Hubert Wolf (Universität Münster) kritisch ediert, durch Regesten erschlossen und kommentiert. In regelmäßiger Folge sollen die Berichte jahrgangsweise online gestellt werden, als erstes ist derzeit der Jahrgang 1917 abrufbar.

Für die Pacelli-Edition wird die bereits in zwei Editionsprojekten eingesetzte Software „DENQ – Digitale Editionen Neuzeitlicher Quellen“ eingesetzt. Es handelt sich um eine auf Basis von Open-Source vorgenommene Eigenentwicklung der Deutschen Historischen Institute in Rom und London: „von Historikern für Historiker entwickelt“. DENQ ermöglicht den Import von Word-XML-Daten in eine XML-Datenbank (eXist). Die Daten stehen dann für wissenschaftliche Recherchen bereit und werden von DENQ als HMTL oder PDF ausgegeben. Die Software wurde für die Pacelli-Edition in zwei wichtigen Punkten von Jörg Hörnschemeyer (DHI Rom) weiterentwickelt. Zum Ersten: Es werden sowohl Entwürfe wie Ausfertigungen ediert. Für die Entwürfe wurde ein eigenes Editionsmodell entwickelt, in dem die Phasen der Überarbeitung eines Schreibens deutlich werden. Durch eine Ausgabe in zwei Fenstern wird dem User ein direkter Vergleich zwischen den Stufen der Entwürfe und der Ausfertigung erlaubt. Zum Zweiten: Von besonderer Relevanz sind die Anlagen, die Pacelli seinen Berichten beilegte. Hierbei handelt es sich um einen Textkorpus von sehr großem Umfang. Sie werden in der Ausgabe direkt mit den Berichten verknüpft.

Die neue Form der kritischen Online-Edition, die die einzelnen Entwicklungsschritte eines Textes farblich und graphisch verdeutlicht, macht diese für den Benutzer leicht nachvollziehbar. Hierin dürfte ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der oft unübersichtlichen Notierung bei klassischen kritischen Editionen in Buchform bestehen. So wird etwa bei einem Bericht über Wilhelm II. deutlich, wie sehr Pacelli um die richtigen Formulierungen ringt, wenn er den Kaiser im Entwurf (vgl. Dokument Nr. 366) zunächst als „nicht ganz ausgeglichen“ (italienisch: „non del tutto equilibrato“) charakterisiert und ihn in der Ausfertigung (vgl. Dokument Nr. 4498) schließlich als „nicht ganz normal“ (italienisch: „non del tutto normale“) beschreibt.

Die Datenbank der Pacelli-Edition ist derzeit noch in der Betaphase, wie die Herausgeber schreiben. Die volle Funktionalität ist daher nur in den Browsern mit der Rendering-Engine Gecko bzw. Webkit (d.h. Mozilla Firefox, Safari und Google Chrome) gewährleistet.

(Unter Verwendung von Material von www.pacelli-edition.de)

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