Catalogus Professorum Lipsiensis

von Ulf Morgenstern

Screenshot des Leipziger ProfessorenkatalogsWährend für eine Vielzahl deutscher Universitäten bereits – vorwiegend gedruckte – Professorenkataloge vorliegen, musste dies bisher für Leipzig als eine der drei großen deutschen Universitäten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als ausgesprochenes Desiderat gelten. Daher erstellt die Arbeitsgruppe Universitätsgeschichte am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Leipzig den catalogus professorum lipsiensis.

Ziel des Vorhabens ist die möglichst vollständige Erfassung aller bio-bibliographischen Daten der habilitierten Angehörigen des Lehrkörpers der Universität Leipzig im 19. und 20. Jahrhundert. Von dem ursprünglichen Vorhaben, diese umfangreiche Datensammlung der Öffentlichkeit als „klassischen“ gedruckten Professorenkatalog zugänglich zu machen, wurde in Anbetracht der rasanten technischen Entwicklung abgesehen. Seit dem Jahr 2008 ist stattdessen der Leipziger Professorenkatalog, der inzwischen rund 1.500 biographische Einträge umfasst, online nutzbar. Dies bietet einerseits den Vorteil des nahezu unbegrenzten weltweiten Zugriffs, andererseits die Möglichkeit der laufenden Ergänzung und Vervollständigung des Datenmaterials.

Grundlage des online-Professorenkatalogs und eigentlicher Kern des Projektes ist eine Forschungsdatenbank, die vom Institut für Informatik der Universität Leipzig erstellt wurde. Dieser Datenbank, die mit Technologien des Semantic Web realisiert wird, liegt ein Ontologiemodell zugrunde, in dessen Mittelpunkt die einzelne Professorenbiographie steht. Die zugeordneten Lebens- und Karrierestationen stellen die Verbindung des Hochschullehrers mit einzelnen Institutionen (wie etwa der Universität Leipzig) her. Es ist also technisch ohne weiteres möglich, auf der Grundlage der Leipziger Professorendatenbank einen Rumpfkatalog für eine andere Universität zu erstellen, der dann um die dort fehlenden Professoren-Einträge ergänzt werden könnte. Ein zentrales Merkmal des Schemas ist also seine praktisch beliebige Erweiterbarkeit.

Zur Verwaltung der Datenbank wird das von der Arbeitsgruppe „Agile Knowledge Engineering and Semantic Web (AKSW)“, beheimatet am Institut für Informatik der Universität Leipzig, entwickelte Werkzeug „OntoWiki“ eingesetzt. Diese Web-Applikation setzt eine wikibasierte Methodologie zur Verwaltung von Wissensbasen um. Hierdurch wird der direkte Zugriff eines registrierten Nutzerkreises auf die Datenbank praktisch überall dort ermöglicht, wo ein Internetzugang zur Verfügung steht. Die Datenaufnahme kann somit auch unmittelbar in Archiven oder Bibliotheken erfolgen.

Mit dem „Graphical Query Builder“ steht seit kurzem ein direkt in die Benutzeroberfläche der Forschungsdatenbank integriertes Werkzeug für komplexe Suchanfragen zur Verfügung, das dem Nutzer den Erwerb spezifischer Kenntnisse in der Anfragesprache SPARQL erspart. Weit über eine Volltext- und Schlagwortsuche hinaus kann hier etwa nach allen Medizinprofessoren gesucht werden, die nach 1936 noch ohne NSDAP-Mitgliedschaft von den Universitäten x, y und z nach Leipzig berufen wurden und zum Berufungszeitpunkt jünger als 40 Jahre waren. Den Merkmalskombinationen für mögliche Fragestellungen sind keine Grenzen gesetzt, was die wissenschaftliche Anwendung des Professorenkatalogs als sozialstatistisches Analyseinstrument unterstreicht. In besonderer Weise eignet sich die Forschungsdatenbank etwa zur Untersuchung sozialer und wissenschaftlicher Netzwerke.

In erster Linie bildet aber der Leipziger online-Professorenkatalog die derzeit wichtigste Anwendung der Forschungsdatenbank. Hierbei wird ein zuvor festgelegtes Datenspektrum live abgefragt und als Kurzbiographie dargestellt. Das Projekt wird weitergeführt, es soll um Datensätze der noch fehlenden Zeit vor 1800 sowie anderer Universitäten erweitert werden.

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